9,58 Sekunden – diesen Weltrekord stellte Usain Bolt 2009 in Berlin auf.
30 bis 45 Sekunden – so lang dauern die aktuellen „Hauptsache Ihr habt Spaß“-Werbespots von Media Markt Deutschland.
7 Minuten – beträgt circa die Garzeit der Barilla-Spaghetti, je nachdem, ob Sie Ihre Pasta al dente oder weich mögen.
In der Zeit, in der Sie den Weltrekord verfolgen, sich anschließend vom Werbespot verführen lassen und dann Ihre Pasta zubereiten, haben Profitrader unter Umständen schon Millionen Euro investiert und sogar wieder verkauft. Diese angebliche Königsdisziplin ist vielen unter dem Begriff Daytrading bekannt.
Ertrag in Sekundenschnelle
Für mich ist das jedoch ganz und gar nicht royal, zumeist hohe Risiken einzugehen, um mit kurzfristigen Wertschwankungen minimale Erträge zu erzielen. Und die Rendite ist wirklich gering: Es ist keine Seltenheit, dass auch professionelle Broker bei einem Highspeed Trade nur 0,0005 – 0,00075 USD je gehandelter Aktie erzielen. Wenn Sie beispielsweise momentan eine Mio. USD in einen durchschnittlichen Dow-Jones-Titel investieren würden, könnten Sie also an einem Tag 7 USD Gewinn erzielen. Verrückt, oder?
Trotzdem gibt es viele Daytrader und noch mehr, die es werden wollen, weil sie damit schnelles Geld machen können. Darum geben manche Privatanleger sogar ihren Beruf auf, weil sie sich innerhalb nur weniger Sekunden größere Erträge erhoffen, indem sie kleinste Tagesschwankungen ausnutzen. Das ist sicher ein gutes Gefühl, wenn sich ein Invest innerhalb kürzester Zeit rentiert. Aber täuscht das Gefühl nicht? Ist es wirklich möglich, mit dem taggleichen Kauf und Verkauf von Wertpapieren gezielt Gewinn zu machen? Ich glaube, dass es sich da bei Privatanlegern eher um Glückstreffer handelt.
Verluste für Privatanleger
Ich kenne keine Methode, die zuverlässig und dauerhaft vorhersagt, wann Anleger kurzfristig ein- und aussteigen sollen. Im Gegenteil: Statistiken belegen, dass 70 % der Anleger dabei ihr gesamtes Vermögen verlieren. Ein prominentes und leider sehr schlimmes Beispiel ist Mark O. Barton, der 1999 in Georgia Amok lief und sich anschließend selbst tötete, nachdem er sein Vermögen durch Daytrading verloren hatte. Sicher ist das eine extreme Ausnahme, doch Tatsache ist: Private Anleger sind hier selten erfolgreich.
Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum das so ist, wenn doch auch für Privatanleger so vielfältige Informationsquellen vorhanden sind: Zahlreiche Communitys und Infoportale halten Tipps für Einsteiger und Profis bereit. Und jährlich findet sogar eine Messe „World of Trading“ in Frankfurt statt. Ich habe sie selbst schon besucht und fand es ziemlich abstoßend, denn Anleger werden dort wie auf einem Basar mit Angeboten überschüttet. Was Anbieter dort verkaufen? Handelsplätze und die Vision zwischen zwei Tassen Kaffee schnell und auf leichte Weise Geld zu verdienen.
Die dazugehörige Software ähnelt der der Profis und ist daher beeindruckend für Kleinanleger. Sie können dort Chartanalysen durchführen, Ad-hoc-Meldungen und verschiedenste Indikatoren finden, die sie in Sicherheit wiegen. Anleger können dann wie die Profis den ganzen Tag vor ihren Bildschirmen sitzen – und einer reicht vielen bei weitem nicht mehr aus, um das ganze Börsengeschehen im Blick zu behalten – und können dann kurzfristig Aktien kaufen, mit Optionsscheinen Aufs und Abs ausnutzen und wieder verkaufen.
Das Millionengeschäft der Branche
Privatanleger sind damit jedoch immer noch zu langsam und zu unwissend, ihnen ist es meiner Meinung nach unmöglich, sekundenschnell zu handeln. Und genau das ist der Unterschied zu den professionellen Tradern in den Handelssälen der Großbanken. Diese analysieren täglich den Markt, können auf das breite Spektrum der Börseninstrumente zurückgreifen und kurzfristig und auch mal riskanter agieren. Und sie können mit ihren geschulten Augen, unterstützt von modernsten Computerprogrammen, günstige Konstellation von Angebot und Nachfrage berechnen und diese mit einem Millioneninvest ausnutzen. Vor allem aber sind sie dabei mittels der sogenannten Hochfrequenztechnologie immer schneller als der Privatanleger: Ihre Order werden zuerst ausgeführt. Und mal ehrlich: Wer hat schon eine Million frei verfügbares Kapital, um damit im Daytrading an der Börse zu operieren?
Verstehen Sie mich nicht falsch – der Arbitrage-Handel, wie ihn die Profis nennen, hat schon seine Berechtigung: Er hält die Märkte liquide und kann Preisgefälle durch kurzfristige Gegengeschäfte ausgleichen – aber eben nur, wenn Profis am Werk sind. Lassen Sie als Privatanleger besser die Finger davon. Es raubt Ihnen viel Lebenszeit, Nerven und vor allem Ihr Geld – nicht nur dadurch, dass Sie sich verzocken, sondern auch dadurch, dass Sie die Handelsplätze teuer bezahlen müssen. Für die Firmen, die diese Daytrading Software verkaufen, ist das ein einträgliches Geschäft – für die Anleger aber meist ein Draufzahlgeschäft.
Wenn Sie Ihr Anlagestrategie auf drei bis fünf Jahre auslegen und Sie dabei grundsätzlich sechs bis zwölf Monate geduldig abwarten, ob sich Ihr Invest in die richtige Richtung bewegt, können Sie Ihr Leben genießen und die Börse nebenher laufen lassen – und insbesondere können Sie so erfolgreich sein.