Commerzbank, Rockwell Automation und der Chemiekonzern Evonik – das sind nur drei Beispiele für Aktiengesellschaften, bei denen ganz aktuell Führungswechsel anstehen.
Was machen Anleger jetzt mit dieser Information, wenn sie bereits Aktionär einer dieser Gesellschaften sind? Wird der Aktienkurs eher steigen, weil so ein neuer fähiger Mann an der Spitze natürlich die Hoffnung nährt, dass es dem Unternehmen bald besser geht? Oder wird der Kurs eher nachgeben, weil ein Führungswechsel die Aktionäre meistens eher verunsichert und als ein schlechtes Zeichen gewertet wird?
Also: Sollten Sie die Aktie besser abstoßen, halten oder gar zukaufen?
Von Ackermann, Middelhoff und Mehdorn
Was bei solchen Fragen hilft: Ein genauer Blick in die Börsengeschichte. Dort finden Sie immer ähnliche Situationen und Beispiele – und oft ist dann ein Muster erkennbar.
Als beispielsweise Josef Ackermann 2002 bei fallenden Kursen Chef der Deutschen Bank wurde, stieg der Kurs im selben Monat zwar leicht an, setzte danach seinen Sinkflug jedoch unbeirrt fort. Ebenso verhielt es sich mit den Aktien der KarstadtQuelle AG, heute Arcandor: Nach dem Führungswechsel im Juni 2004, als Thomas Middelhoff den Vorsitz übernahm, ging es mit der Aktie unverändert bergab. Ein weiteres Beispiel ist Air Berlin. 2011 wurde Hartmut Mehdorn zum neuen Vorstandsvorsitzenden ernannt. Die Auswirkungen auf die Aktie? Der Kurs fiel weiter und die erhoffte Wende blieb aus.
Natürlich gibt es auch Beispiele, bei denen der Führungswechsel auch einen Kurswechsel an der Börse nach sich zog. Allerdings: Sie sind viel seltener. Ich habe 100 Jahre Börsengeschichte akribisch analysiert und dabei nur sehr vereinzelt Gegenbeispiele gefunden. Eines davon ist Louis Gerstner bei IBM: Als er 1993 Geschäftsführer des IT-Unternehmens wurde, entwickelte sich das zuvor kriselnde Unternehmen schnell positiv und nahm Fahrt auf, was sich auch auf den Aktienkurs auswirkte. Heute wird ihm die Rettung des Konzerns zugeschrieben.
Es gilt also wie immer: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Lösung auf Knopfdruck?
Warum ist das so? Weshalb hat in den meisten Fällen ein Wechsel in der Konzernleitung allein kaum Auswirkungen auf den Aktienkurs?
Ich denke, es liegt vor allem daran, dass Unternehmen, die das Management wechseln, oft bereits in Schwierigkeiten stecken – und diese lösen sich eben nicht auf Knopfdruck auf, nur weil das Chefbüro ein anderes Namensschild bekommt. Strukturelle Veränderungen, die ein Unternehmen wirtschaftlich wieder tragfähiger machen sollen, brauchen immer Zeit – je größer das Unternehmen, desto länger dauert es. Das ist wie beim vielzitierten Tanker, der auch äußerst behäbig auf einen Kurswechsel reagiert.
Wenn Sie jedenfalls aus den Kursentwicklungen der Vergangenheit eine Regel für die Zukunft ablesen möchten, dann diese: Die große Hoffnung, dass eine neue Führungskraft den Aktienkurs kurzfristig positiv beeinflussen kann, ist unbegründet – egal was geschrieben wird und wie groß das Charisma des Neuen ist.
Spekulieren Sie nicht auf eine Kurswende!
Wenn Sie also schon in einem Unternehmen engagiert sind, mit dem es bergab geht, müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass sich der Abwärtstrend in naher Zukunft nicht umkehren wird, bloß weil ein neues Mitglied der Geschäftsleitung die Wende verspricht. Auf keinen Fall sollten Sie jedoch nachkaufen. Ob es sich für Sie dann noch lohnt auszusteigen, oder Sie doch lieber das Ende des Abwärtstrends langfristig abwarten, können Sie nur selbst entscheiden und dafür müssen Sie andere Faktoren wie z.B. die allgemeine Börsentendenz und das jeweilige Branchenumfeld mitberücksichtigen.
Anlegern, die noch keine Anteile eines Unternehmens haben, dessen Führungswechsel in der Öffentlichkeit gerade auf eine Kurswende hoffen lässt, rate ich: Spekulieren Sie lieber nicht auf einen plötzlichen Aufschwung. Natürlich ist es verlockend, bei niedrigem Kurs in Aktien einzusteigen. Doch es wäre schädlich für Ihr eingesetztes Kapital, wenn dann die erhoffte Wende ausbliebe – und das ist in Anbetracht der vielen Beispiele das wahrscheinlichste Szenario.
Um es kurz zu machen: Ein Managementwechsel gibt Ihnen kein ausreichendes Kauf- oder Verkaufssignal – viel mehr deutet die vorzeitige Ablösung eines Chefs auf grundlegende Probleme im Unternehmen hin. Es gibt viel wichtigere Indikatoren, die Ihnen mehr Aufschluss über die künftige Entwicklung eines Unternehmens geben als die Köpfe an der Spitze.