Sie können nicht einschätzen, ob ein Kurs steigt oder sinkt? Dann erzielen Sie mit marktneutralen Strategien Rendite.
Mit solchen Versprechen werben jedenfalls große Investmenthäuser, wenn sie sogenannte Long-Short-Strategien anpreisen. Wenn Sie jetzt nicht verstehen, was damit gemeint ist, kann ich das gut nachvollziehen.
Long-Short-Strategie
Übersetzt heißt das: Wenn Anleger nicht einschätzen können, ob ein Kursauf- oder -abschwung ansteht, dann können sie einfach an einer Seitwärtsbewegung der Märkte Geld verdienen. Klingt verlockend und vor allem einfach. Ganz bequem und ohne eine aufwendige Börsenanalyse können Anleger ihr Geld vermehren. Die Profis der Finanzbranche übernehmen das.
Bei einer Long-Short-Strategie passiert bei den Spezialisten Folgendes: Bei Aktien mit einem positiven Ausblick, das heißt, wenn das Fondsmanagement dort in absehbarer Zeit Kursgewinne erwartet, erwirbt der Fonds diese Aktien und hält sie – er geht „long“. Auf der anderen Seite werden Aktien leerverkauft, die keinen Kurszuwachs oder sogar einen negativen Kursverlauf versprechen. Das bedeutet, dass der Fonds die Titel, die er verkauft, gar nicht besitzt und später wieder zukaufen muss – dann allerdings zu einem nach Einschätzung des Fondsmanagement günstigeren Kurs, also „short“. So verdient der Hedgefonds an den steigenden Kursen der Long-Positionen und gleichzeitig am günstigeren Rückkauf der verliehenen Aktien.
Von Selbigem könnten auch private Anleger profitieren. Soweit jedenfalls die Theorie.
Sicherheit auf Erfolg gibt es nicht
Dass der Schuss auch nach hinten los gehen kann, zeigt der Zusammenbruch des Hedgefonds LTCM im Jahr 1998, der sogar von zwei Wirtschaftsnobelpreisträgern beraten wurde. Im Rahmen seiner Long-Short-Strategie hatte er amerikanische Anleihen leerverkauft, weil er steigende amerikanische Zinsen und damit fallende Anleihekurse erwartete. Zeitgleich hatte er in Hoffnung auf steigende Kurse russische Staatsanleihen gekauft. Es kam genau umgekehrt: Die Zinsen sanken 1998 in den USA und die Anleihe-Kurse stiegen – zudem fielen infolge einer Wirtschaftskrise die russischen Anleihen. Beide Geschäfte entwickelten sich also genau entgegen der Erwartungen und negativ. Da LTCM zudem ihre Geschäfte mit hohen Krediten finanziert hatten, schmolz das Eigenkapital, das ein Fonds aufsichtsrechtlich hinterlegen muss. Der Fonds geriet in eine aussichtslose Schieflage. Schließlich musste der Fonds unter Führung der amerikanischen Notenbank von einem Bankenkonsortium liquidiert werden und die Anleger des Fonds verloren ihr zuvor eingesetztes Geld.
Sie sehen: Mit der Long-Short-Strategie haben Sie zwar doppelte Chance auf Rendite und fahren immer noch Gewinn, selbst wenn eine der beiden Aktien stagniert oder sich entgegen Ihrer Erwartungen entwickelt. Gleichzeitig haben Sie aber auch doppeltes Risiko – wenn sich nämlich beide Aktien gerade anders entwickeln, als Sie es vermutet hatten. Dann verlieren Sie gleich zweimal.
Eine Investition, aber die richtige
Was ich damit sagen will: Eine Long-Short-Strategie einzugehen ist, auch mit guter Marktkenntnis, extrem riskant und befreit niemanden davon, sich Gedanken über künftige Entwicklungen der Börse und einzelner Werte zu machen. Wenn Sie schon die Märkte analysieren, dann nutzen Sie Ihre Zeit und Energie besser dafür herauszufinden, ob die Börse eher steigen oder fallen wird. Kaufen und verkaufen Sie entsprechend Ihre Aktien, aber eben nicht beides gleichzeitig. Sie legen an und können gelassen abwarten.