Griechenlandkrise, Flüchtlinge, Volkswagen-Abgasskandal, Wirtschaftsentwicklung, Menschen, Bilder, Emotionen – in den kommenden Wochen werden die Medien spannende Zusammenfassungen des Jahres 2015 veröffentlichen. Die Unternehmen machen eine erste vage Einschätzung, wie das Geschäftsjahr verlaufen ist und ob die Erwartungen eingetroffen sind. Und auch an der Börse ist es wieder Zeit, das Börsenjahr zu resümieren. Jedes Jahr das Gleiche.
Haben Sie dabei schon einmal erlebt, dass die Prognosen vom Vorjahr auch tatsächlich eingetroffen sind? Ist es denn so gelaufen, wie erwartet? Aus den Meldungen und Berichten ist das schwer herauszulesen, denn oft findet erst gar kein Abgleich statt. Klar, schließlich treten die Prognosen meistens auch nicht ein und es will sich ja keiner die Blöße geben und darauf herumreiten. Nur wenn ein Analyst mal wirklich richtig gelegen hat oder nah dran war, wird er von den Medien aufs Podest gehoben.
Prognosen haben sich vertan
Schauen Sie sich die Prognosen für 2015 an. Zum Beispiel in der Wirtschaftswoche hieß es im Dezember 2014: Dem Dax stünde ein mageres Jahr bevor, beim Dow Jones, Nasdaq & Co. müsse in den kommenden sechs bis 18 Monaten mit einem Rückschlag gerechnet werden. Insgesamt wurde für das Börsenjahr 2015 eine Baisse, also ein Abschwung, erwartet, Gold- und Rohstoffwerte wurden als Favoriten gehandelt.
Nun ja, bis jetzt haben sich die Börsen nicht an die Vorhersage gehalten. In den ersten beiden Quartalen stiegen die Börsen weltweit steil an, im Sommer ging es dann wieder abwärts. Aber eine Baisse ist nicht zu spüren. Aktuell steht der DAX rund 1.000 Punkte höher als zu Beginn 2015, der Dow Jones blieb unverändert, die Technologiebörse Nasdaq hat ein Plus von sieben Prozent, hinzu kommen noch zwölf Prozent Währungsgewinne durch den steigenden Dollar. Der Nikkei ist sogar um zwölf Prozent gestiegen, zu denen noch einmal, in Euro gerechnet, fast neun Prozent Währungsgewinn hinzukommen. Und was ist mit den Favoriten? Die Rohstoffwerte haben hingegen ein weiteres Jahr der Tränen und Verluste hinter sich, für die restlichen Wochen dieses Jahres ist auch keine massive Kehrtwende zu erwarten. Die Entwicklung der Märkte verlief also genau entgegengesetzt der Prognosen.
Wenn die momentane Stimmung die Zukunft vorhersagt
Was Sie als Anleger dann aus diesen Prognosen ziehen können, kann ich Ihnen mit zwei Worten beantworten: Fast nichts. Denn die Bankanalysten und Chefvolkswirte geben nur öffentlich eine Einschätzung ab, weil die Medien es so wollen. Die Vorschau auf ein neues Jahr gehört einfach dazu und die Bankenvertreter wollen eben auch ihr Finanzinstitut in die Presse bringen. Und nicht zuletzt, wollen die Leser unterhalten werden. Eine Prognose gibt ein besseres Gefühl und vermeintlich mehr Sicherheit, denn es ist eine Idee, ein Plan für das neue Jahr vorhanden.
Dabei sind zwölf Monate an der Börse eine Ewigkeit. Kein Analyst kann voraussagen, wie sich die Märkte in diesem Zeitraum entwickeln. Und das tun sie im Grunde genommen auch nicht. Die Voraussagen orientieren sich zumeist an der momentanen Stimmung der Börse, die aktuelle Marktlage dient gewissermaßen als Anker. Denn nur die Situation, die im Dezember herrscht, wenn die Prognosen erscheinen, können die Analysten wirklich einschätzen. Daher liegen die Analysen der verschiedenen Finanzexperten auch dicht beieinander. Keiner traut sich aus der Masse herauszustechen und als einziger mit einer gewagten Vorhersage zu scheitern. Selbst wenn Analysten eine abweichende Meinung haben, verpacken sie sie deshalb allgemeinverträglich.
Analysten lassen sich nicht festnageln
Für Sie bedeutet das, dass Sie nicht auf Börsenprognosen für das kommende Jahr zurückgreifen sollten, um Ihre langfristige Anlagestrategie anzupassen. Denn in jeder Prognosen sind vage Formulierungen und weiche Parameter enthalten, damit retrospektiv doch irgendetwas von der Einschätzung eintrifft. Kein Analyst will sich festnageln lassen. Mit einer realen Einschätzung des kommenden Börsenjahres hat das nichts zu tun.
Sie erhalten mit Prognosen eine aktuelle Einschätzung der verschiedenen Märkte. Sehen Sie diese Vorschauen eher als Stimmungsbild der momentanen Börsenlage, aus dem Sie gegebenenfalls Rückschlüsse ziehen – nicht für die entfernte Zukunft, sondern für die nächsten Wochen.
P.S: Selbst die wiwo und die Analysten gestehen sich ein, dass Anleger nicht ganz so viel auf Prognosen für das nächste Börsenjahr geben sollten.http://bit.ly/1SkrCcg