Während der Klassenarbeit vom Nachbarn abschreiben? Puh, wenn das der Lehrer gesehen hat … Heutzutage ist der beste Mitschüler zum Abschreiben das große World Wide Web – einfach das iPhone oder die Smartwatch befragen und schon ist die Lösung da.
So ähnlich ist das auch beim Börsenhandel im 21. Jahrhundert: Das Internet bietet zahlreiche Möglichkeiten zum „Abkupfern“. Eine Variante ist das Social Trading. wikifolio.com, ayondo Deutschland, ZuluTrade und eToro sind die bekanntesten Plattformen, auf denen Anleger Ihre Investmentstrategien für andere Anleger preisgeben. Gegen eine Gebühr können Sie sich dort die Portfolios und Handelsstrategien anschauen und dann einfach kopieren. Aber ob Sie mit Copy and Paste wirklich erfolgreich sein können, wage ich zu bezweifeln.
Erfolgreiche Musterdepots
Denn auf welche der zahlreichen Empfehlungen aus der Community vertrauen Sie? Das sind ja keine Tipps von Freunden, die Sie schon viele Jahre kennen und denen Sie vertrauen. Beim Social Trading publizieren fremde Menschen eine Vielzahl von unterschiedlichsten Strategien – mit verschiedenen Grundeinstellungen, Börsenkenntnissen und Absichten. Was zumeist mit Privatanlegern begann, ist heute sogar ein Geschäftsmodell. Inzwischen veröffentlichen Finanzpublikationen dort ihre Musterdepots – sozusagen „Musterdepots 2.0“ – und Banken und Fondsverwalter gehen mit ihren erfolgreichen Portfolios auf den Plattformen auf Kundenfang.
Klar können sich Anleger an den erfolgreichsten Musterdepots orientieren. Wenn Anleger das wünschen, legt die Plattform das eigene Geld gegen eine Erfolgsbeteiligung dann sogar automatisch an wie der ausgewählte Trader. Börsenanfänger können damit ohne Vorkenntnisse handeln und unter Umständen auch Erfolg haben. Manchmal sind Hobbytrader sogar erfolgreicher als die Profis und werden dann in den Medien regelrecht zu Börsenstars gekrönt.
Social Trading als Informationsplattform
Und dann gibt es die Anleger, die ihr Geld dort nicht einsetzen, sondern Social Trading nur als Informationsplattformen nutzen. Sicher herrscht dort eine hohe Transparenz und Anleger bekommen Einblicke in Anlagestrategien, die sie am Markt so nicht erhalten. Aber die veröffentlichten Portfolios und Daten sollten Anleger nicht ungefragt kopieren, sondern erst einmal intensiv analysieren und längere Zeit beobachten, um ein Muster zu erkennen und entscheiden zu können, dass diese Anlagestrategie zu ihnen passt.
In diesem Zusammenhang betone ich gerne erneut: Anleger werden langfristig nur erfolgreich sein, wenn sie verstehen, was sie tun, und bewusst entscheiden, warum sie wo und wie investieren. Die Zeit, die Sie also möglicherweise damit verbringen, andere Anleger auf Social-Trading-Plattformen zu beobachten und deren Strategien zu kopieren, können sie besser nutzen – und zwar, um selbst reale Erfahrungen an der Börse zu machen, sich mit den Märkten zu beschäftigen und daraus zu lernen. Denn – das wissen Sie auch – wer etwas selbst entscheidet und bewusst erlebt, hat größere Lernerfolge als beim Kopieren.
Die eigene Strategie entscheidet
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie Sie dann den richtigen Weg zur Börse und die Orientierung für Ihre Anlagestrategie finden, kann ich Ihnen sagen: Den finden Sie nur allein im stillen Kämmerlein, denn meine Erfahrung zeigt: Börse ist keine Gemeinschaftsproduktion, sondern ein Einzelsport.
Kurz: Kopieren Sie keinesfalls blind die Strategien anderer, sondern versuchen Sie, selbst die Märkte zu verstehen, und erarbeiten Sie sich selbst Ihre persönliche Anlagestrategie. Dann haben Sie wirklich alle Details im Blick und schaffen sich so einen Anker, der Sie bei Sturm und starkem Wellengang an den Börsen festhält.