Ein jahrelanger Streit um die Öl-Förderung. Eine überforderte Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Ein stark gefallener Preis des schwarzen Goldes. Eine Öl-Fördermenge so hoch wie seit 2008 nicht mehr. Eine Entscheidung im September, die Fördermenge zu drosseln. Widersprüchliche Reaktionen aus Russland. Und nun?
Der Ölpreis ist zwar wieder gestiegen, doch von einer Stabilisierung kann bei Weitem noch nicht die Rede sein.
Warum überhaupt stabilisieren?
Für mich ist dennoch die Frage: Warum ist es überhaupt notwendig, einzugreifen und die Fördermengen zu regulieren?
Egal, ob Aral, BP, Esso oder Shell – die Anzeigen an den Tankstellen laden die Autofahrer derzeit noch zum Volltanken ein.
Chanel, Johnson & Johnson, Beiersdorf, Unilever und Co. – die Kosmetikindustrie kann für die Produktion günstig Mineralöl erwerben.
Öl steckt in Kunststoffen, Farben, Medikamenten, wird zur Herstellung von Elektrizität verwendet und beschert den Menschen ein warmes Zuhause.
Das sind nur ein paar wenige Beispiele, bei denen Sie sehen können, dass sich ein geringer Erdölpreis positiv auswirkt. Statt sich zu freuen, schimpfen viele auf den niedrigen Ölpreis. Überall können Sie negative Schlagzeilen und Expertenmeinungen vernehmen – die getrübte Stimmung am Ölmarkt und an der Börse suggeriert Ihnen als Anleger, dass nun auch ein tiefer und schwerer Absturz an den Aktienmärkten droht.
Ein zweischneidiges Schwert
Selbstverständlich führt der Preisverfall bei den ölproduzierenden Ländern wie Russland, Saudi-Arabien oder Venezuela und den Ölfirmen zu geringeren Einnahmen. Die Zulieferbetriebe erhalten weniger Aufträge und ihre Arbeitsplätze sind in Gefahr. Aber ganz so schlecht kann es der Branche nun auch wieder nicht gehen, wenn die Förderkosten bei ca. 4 bis 5 Dollar je Barrel liegen und der Verkaufspreis momentan schon wieder um die 50-Dollar-Marke pendelt.
Aber dennoch beschwören manche Pessimisten eine Ölpreis-Krise herauf – mit dafür verantwortlich ist, dass die Weltwirtschaft bald in den Abgrund stürzt. Der Focus ging in einem Bericht sogar so weit, dass sich die Deutschen nicht über billigen Sprit oder Heizöl freuen sollen, weil die Ölförderländer nun teilweise am Hungertuch nagen. Über diese Sorgen wären die heutigen Pessimisten von den Industrieländern zur Zeit der Ölkrisen von 1973 und 1979 sicher belächelt worden.
Finden Sie nicht auch, dass sich die Verbraucher trotz der negativen Auswirkungen für manche über billiges Benzin und Heizöl freuen sollten? Schließlich bleibt dann mehr Geld fürs Sparen und Konsumieren übrig. Und mehr Konsum erfreut doch auch die Wirtschaft. Gleiches gilt für die zahlreichen Unternehmen, die den Rohstoff Erdöl noch immer billig einkaufen können. Nehmen Sie etwa die Transportunternehmen und gerade die arg gebeutelten Fluggesellschaften. Beispielsweise bei der Lufthansa und anderen Airlines haben sich die Einkaufspreise dieses Hauptkostenblocks in den letzten Jahren fast gedrittelt und damit zumindest etwas Luft verschafft. Und die meisten anderen Logistik-Unternehmen und damit auch deren Aktienkurse profitieren massiv davon.
Viele Gewinner dank eines niedrigen Öl-Preises
Für mich ist die Ölpreiskrise keine Krise, sondern ein riesiges Konjunkturpaket, denn 90 % der Weltwirtschaft profitieren von einem geringen Rohstoffpreis. Es gibt in meinen Augen deutlich mehr Gewinner als Verlierer.
Und dann sind da noch die Großkonzerne wie etwa Siemens. Sie geraten sowohl beim steigenden als beim auch fallenden Ölpreis in die Schlagzeilen. Denn steigt der Ölpreis, sahnt die eine Sparte ab, fällt er, profitiert ein anderer Konzernbereich davon – andersherum natürlich ebenso. Und hier haken jeweils auch die Pessimisten und Medien ein. Egal, wie sich der Ölpreis entwickelt, sie finden und betonen die negativen Auswirkungen.
Doch Sie können mir glauben: Die Angst ist unbegründet. Die Gefahr für die Wirtschaft liegt vielmehr in hohen und steigenden Ölpreisen, wie es in den Jahren 1973/1974, 1979/1980 sowie 2007/2008 zu beobachten war. Hingegen folgten nach dem starken Ölpreisverfall von 1985/1986, 1997/1998 und auch 2008/2009 steigende Aktienkurse.
Auf die Einzeltitel kommt es an
Für Sie ist es wichtig zu wissen, dass ein niedriger Ölpreis wie ein Konjunkturprogramm wirkt und welche Unternehmen davon profitieren. Dann fällt es Ihnen auch leichter, die passenden Titel für ein lohnendes Invest zu finden.
Doch nun heißt es erst einmal: Beobachten und abwarten. Denn bis die Öl-Fördermenge wirklich gedrosselt wird – wenn überhaupt – und die Märkte dies wirklich zu spüren bekommen, ist noch viel Öl durch die Leitungen geflossen und verarbeitet worden.